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Den metaphysichen und technologischen Rahmen für das Zeitverständnis jedoch lieferte die mechanische Uhr. Sie verbreitete sich derart epedemisch über ganz Europa, daß wir geradezu einen Beschaffungsboom annehmen müssen. Bereits in den 80-er Jahren des 14. Jahrhundert verfügten alle größeren europäischen Städte über mechanische Uhren. Die Uhr war nicht nur Symbol für Innovationsbereitschaft und Tatkraft, sondern auch für Reichtum und Prestige. Das erklärt den Boom. Viele Städte beschafften sich eine Uhr, da andere eine hatten. Das erste Dokument bei diesem ehrgeizigen Wettlauf tauchte 1368 in Piemont auf, 1391 verpflichtet die Stadt Lucca einen Uhrmacher, die Uhr für den Pallazo Pubblico genauso oder besser zu machen als jene in Pisa. Die öffentliche Uhr avancierte zum städtischen Attribut, Zeitregelungen schlagen sich in vielen Bereichen des sozialen Lebens nieder, so zum Beispiel im Handwerk, im Handel, auf Märkten, in Schulen. Sitzungszeit und Gremienzeit werden selbstverständlich, Arbeitsordnungen setzen die neue Stundenordnung als selbstverständlich voraus, 1392 autorisiert der König in Barcelona eine Uhr mit der Begründung, Schlaguhren seien erfunden worden, damit die Bürger ehrbarer Städte geordnet leben und Müßiggänger zur Tugend gerufen würden. 1410 gar wird der Turmwächter in Montpellier wegen wiederholter Trunkenheit seines Amtes enthoben und durch eine Uhr mit Schlagwerk ersetzt. Es ist der erste Bericht, in dem ein Mensch von einem Automat wegrationalisiert wird. Dennoch gibt es auch Instanzen, die sich der Übernahme der neuen Zeit heftig wiedersetzen - vor allem die Kirche. Sie halten nach wie vor an der göttlichen Ordnung und den temporalen Stunden fest. Es werden noch viele Kämpfe gefochten werden, bis auch sie sich dem Diktat der Uhr beugt.

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